Im Jahr 1982 lud Libyens Staatschef Ghadaffi zu einem Kongress der weltweiten Befreiungsbewegungen nach Benghasi ein. Die Kosten der Reise und des Aufenthalts wurden vom Gastgeber übernommen.
Auch die Vertreter der deutschen Befreiungsbewegung sollten an dem Kongress teilnehmen. Aber gab es überhaupt eine Befreiungsbewegung in Deutschland?
Die Libyer wurden schnell fündig. Ihnen war klar, dass eine politische Bewegung, deren Parteifarbe grün ist, nicht nur eine Befreiungsbewegung war, sondern auch dem Gedankengut nahestand, das Ghadaffi in seinem „Grünen Buch“ offenbart hatte.
Doch mit den GRÜNEN klappte es nicht. Deshalb lud man ersatzweise die Redaktion der Zeitschrift wir selbst ein. Immerhin hatte die Zeitschrift eine kritische Haltung gegenüber den USA eingenommen. Und außerdem hatte die Zeitschrift einen grünen Einband – das deutete auf eine geistige Nähe zum Grünen Buch hin.
Doch auch die Hausbesetzerszene im damaligen West-Berlin war den Libyiern positiv aufgefallen – und deshalb ebenfalls nach Benghasi eingeladen worden.
Die Redakteure der Zeitschrift wir selbst und die West-Berliner Hausbesetzer bildeten zusammen eine recht bunte Reisegesellschaft. In Libyien wurden sie als „deutsche Befreiungsbewegung“ freudig empfangen.
In Benghasi saßen wir neben den Vertretern anderer tatsächlicher Befreiungsbewegungen aus Afrika und anderswo, und diskutierten mit ihnen über das „Grüne Buch“ und die von Ghadaffi gepriesenen Lehrsätze. Später empfing Ghadaffi noch einige Kongressteilnehmer in seinem Zelt – die Gäste aus Deutschland gehörten dazu.
Die meisten von uns (die Vertreter der Hausbesetzer eingeschlossen) waren damals von Ghadaffis Person, seiner Politik der Blockfreiheit und der Idee eines beduinischen Sozialismus beeindruckt (und auch von Ghadaffis weiblicher Leibgarde). Einige Jahre später waren wir klüger.
Lesen Sie jetzt: Die Irrtümer der „linken Leute von rechts“