Die jungen „Nationalrevolutionäre“ der 70er und 80er Jahre müssen sich heute eingestehen, in manchen politischen Bewertungen geirrt zu haben. Aber mindert das die moralische Qualität ihres damaligen Engagements?
Die jungen „Nationalrevolutionäre“ wollten sich mir der deutschen Teilung nicht abfinden. Und sie wollten die „wahren“ Antifaschisten sein. Das schwere Schicksal von Ernst Niekisch, seine langjährige Folterhaft in der Nazizeit, sein politischer Werdegang nach 1945 – das alles beeindruckte sie. Und sie standen damit nicht allein. Politische Schriftsteller wie Sebastian Haffner bezeugten in den 70er und 80er Jahren immer wieder öffentlich ihre Bewunderung für den Hitler-Gegner Ernst Niekisch.
Aber vor lauter Begeisterung war man politisch auch ein wenig blind. Das wird gerade am Beispiel Niekisch deutlich. Ernst Niekisch war zwar ein unglaublich tapferer, unbeugsamer Antifaschist, der trotz verlockender Angebote der Nazis standhaft blieb. Aber Niekisch war kein Demokrat – jedenfalls nicht nach unserem heutigen Verständnis. Und in seinen Schriften zwischen 1933 und 1945 finden sich auch erschreckende antijüdische Passagen. Welche Erklärung kann es dafür geben? Die jungen „Nationalrevolutionäre“ der 70er und 80er Jahre wollten den problematischen Niekisch nicht sehen. Sie sahen nur das Opfer des Nationalsozialismus.
Doch das war nicht der einzige Fall politischer Sehschwäche. Auch die kurzzeitige Begeisterung für den jungen libyschen Staatschef Ghadaffi war eine Fehlleistung – und der ws-Redaktion Jahre später peinlich. Diese politische Sehschwäche teilten sie mit vielen anderen Gruppierungen. So pilgerten Abordnungen unterschiedlicher K-Gruppen nach China, Kambodscha etc. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die antijüdische Rhetorik von Ernst Niekisch wurde von den „Nationalrevolutionären“ der 70er und 80er Jahre kaum beachtet. Man beurteilte diese Äußerungen als ein – in der NS-Diktatur – notwendiges „taktisches Manöver“. An dem moralisch glanzvollen Bild des Widerstandskämpfers änderte sich dadurch nichts. Für die jungen „Nationalrevolutionäre“ verkörperte Niekisch weiterhin die antifaschistische Synthese von friedliebendem Nationalismus und demokratischem Sozialismus.
Heute bezeichnen sich manche Rechtsextremisten als „nationalrevolutionär“ und berufen sich dabei – ausgerechnet – auf Ernst Niekisch. Die – zeitweiligen – antijüdischen Ressentiments mancher NS-Widerstandskämpfer, von denen sich die Betreffenden später distanzierten, dienen diesen Rechtsextremisten als Bestätigung ihrer rassistischen Auffassung.
Wie schwierig es ist, angebliche „linke“ und „rechte“ Positionen von tatsächlich zu unterscheiden, wird in dem von Manuel Seitenbecher verfassten Buch deutlich: